Damals in den Neunzigern lagen virtuelle Kreaturen im Trend: Etliche Kinder haben sich täglich um Tamagotchis gekümmert, Computermagazine haben Programme wie Fin Fin vorgestellt, und der MOPy fish schwamm über unseren Bildschirm.
Um die Jahrtausendwende herum habe ich mit PASCAL und Delphi meine ersten Programmiererfahrungen gemacht, und nach etwa zwei Schuljahren wusste ich genug, um in meiner Freizeit mein eigenes virtuelles Haustier zu basteln.
Reeya war anfangs nur ein Platzhalter - eine schnell hingekritzelte Mischung aus Hund und Pony, mit der ich meine Ideen austesten konnte. Ich hatte geplant, sie später durch coole 3D-gerenderte Bilder eines anderen Tiers zu ersetzen, zum Beispiel von einer Spinne. Aber je mehr ich diese kleine Kritzelei vor Augen hatte, umso stärker wuchs sie mir ans Herz. Also habe ich bis zum Abitur immer mehr Animationen mit genau diesem Wesen erstellt.
Dann kam das Studium, und ich hatte immer weniger Zeit und Motivation für private Programmierprojekte. Ich nahm mir vor, Reeya in eine andere Programmiersprache zu portieren, aber kam nie dazu.
Also lag das Projekt auf Eis, während ich langsam aber sicher auf ein Burnout zusteuerte. 2016 war es dann so weit, dass ich professionelle Hilfe benötigte, um den Arbeitsalltag zu bewältigen. Eine der Strategien, die ich dabei lernte, war das Nutzen sensorischer Reize, um aus der Gedankenspirale ins Hier und Jetzt zurückzufinden. Damit war mir klar, dass ich ein kleines Stofftier ins Büro mitnehmen wollte.
Und wer wäre besser für diesen Job geeignet als Reeya? Schließlich war sie einer der Hauptgründe, warum ich dieses Fach überhaupt studieren wollte. Und Stofftiere hatte ich früher auch gerne genäht, also schnappte ich mir Nadel, Faden und grauen Samt und legte los. Jetzt begleitet mich eine kleine knuddelige Reeya täglich zur Arbeit und erinnert mich daran, warum ich dort bin.
Inzwischen habe ich angefangen, sie mithilfe der Unity-Game-Engine neu zu programmieren. In dieser Version hüpft sie in 3D durch eine Waldlandschaft - aber immer noch als grau-rote Strichfigur.
Das Programm steht noch ziemlich am Anfang, und ich experimentiere noch damit, nach welchem Ansatz ich die künstliche Intelligenz aufbauen will.
Wahrscheinlich werde ich mich auch langfristig auf die virtuelle Realität konzentrieren. Es ist faszinierend, direkt neben ihr zu stehen und mit ihr gemeinsam durch die Welt zu laufen!
Dieses Video hier zeigt einen der ersten Versuche, die Steuerung der Bildschirm-Anwendung in die virtuelle Realität zu übertragen. Wie man sieht, ist nicht alles nach Plan gelaufen... aber Reeya hat sich schonmal gefreut, all diese Blumen zu entdecken.
Ich hoffe, dass ich nach dem Ende der Doktorarbeit jetzt wieder mehr Zeit finden werde, um diese Version weiterzuentwickeln.
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